Focus 04.01.08

Ratenkredite

Senioren unerwünscht

Schon ab 60 wird ein Bankdarlehen zur Glückssache. Ab 70 ist nicht mal mehr Ratenkauf drin. Als Kreditnehmer sind Senioren unerwünscht. Die Kinder sollen bürgen.

Von FOCUS-Online-Autorin Berrit Gräber

Viele Senioren bekommen keine Bankkredite mehr

Neues Auto, sanierte Zähne, barrierefrei umgebauter Wohnraum: Wer auf die 60 zugeht, muss zum Kreditendspurt ansetzen. Größere Anschaffungen sollten dann schon angeleiert sein rechtzeitig, bevor die meisten Banken und Sparkassen die Rollläden herunterlassen. Sobald ein älterer Mensch am Kreditschalter auftaucht, winken die meisten Institute ab.

Ab 60 wird es zunehmend schwierig, ein Darlehen an Land zu ziehen. Ab Mitte 60 wird ein Kredit zur reinen Glückssache, zum Sechser im Lotto und zwar unabhängig von Sicherheiten, Einkommen und sonstigem Vermögen, klagt die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (Bagso). Für ältere Kunden gälten eindeutig strengere Maßstäbe als für junge.

Je älter der Kunde, desto weniger ist er als Kreditnehmer erwünscht, so auch die Erfahrungen von Hanne Schweitzer vom Büro gegen Altersdiskriminierung in Köln. Wir haben von Anbietern erfahren, die selbst vermögenden Kunden maximal drei Monatsrenten Kredit einräumen, erzählt Thomas Bieler von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Absolut unverständlich, wie er meint: Bei entsprechenden Sicherheiten trage die Bank kein Risiko. Schafft es ein 63-Jähriger tatsächlich, Geld geliehen zu bekommen, muss er dafür richtig teuer bezahlen über Extra-Restschuldversicherungen.

Mit 70 ist längst Schluss mit Krediten

Zwar kennen auch die Mathematiker der Geldinstitute die aktuelle Lebenserwartung der Deutschen: Frauen werden danach durchschnittlich 82, Männer knapp 76 Jahre alt. Für Bürger um die 70 ist aber schon längst Schluss mit Krediten. In diesem Alter ist nicht einmal mehr der Ratenkauf im Elektromarkt drin. Banken fürchten, die Kunden könnten sterben, bevor ihre Schulden abgezahlt sind.

Offiziell gibt es keine festgeschriebenen Altersbeschränkungen für Darlehen. Das Thema ist delikat. Ob ein Kredit gewährt wird oder nicht, ist immer eine Einzelfallentscheidung, versichert Thomas Schlüter vom Bundesverband deutscher Banken (BdB). Hinter den Kulissen gebe es sehr wohl pauschale Vorgaben für die rote Karte, gestaffelt nach Lebenserwartung und Pflegerisiko, weiß Bagso-Sprecherin Dorothea Werner-Busse. Ganz gleich, ob es sich um größere Immobilienkredite handelt, um kleine Verbraucherdarlehen, Überziehungskredite, Kreditkarten oder Ratenzahlungsvereinbarungen. Rente sicher, Kredit abgeschmettert. Als konsumfreudige Silver Ager sind Senioren und Rentner heiß umworben. Die über 60-Jährigen geben nach einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung jährlich 316 Milliarden Euro aus das entspricht einem Drittel des privaten Konsums. Als Antragsteller für Kredite dürfen sie sich dagegen als Bürger zweiter Klasse fühlen, wie eine Sammlung von Fallbeispielen des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (vzbv) zeigt.

Wie hart es sein kann, als fideler 60-Jähriger plötzlich keinen Cent mehr auf Pump zu bekommen, hat ein Ehepaar aus Nordrhein-Westfalen erfahren müssen. Der Vorruheständler Martin F., 61, und seine Frau, die Frührentnerin Hannelore, 60, wollten ihren Altersruhesitz nach Konstanz am Bodensee verlagern. Dazu sollte ihre bisherige Immobilie verkauft werden, ein neues Häuschen war schon in Aussicht. Die Differenz von 100 000 Euro wollte sich das Paar von der Hausbank leihen. Bei jeweils fast 10 000 Euro Nettorente im Monat kein Problem, dachten beide. Von wegen: Das vermögende Ehepaar kassierte eine Abfuhr. Begründung: zu alt für so eine so große Kreditsumme, üppige Renten hin oder her.

Auch bei anderen Banken konnte das Ehepaar nicht landen, wie Bagso-Sprecherin Werner-Busse erzählt. Dabei wäre der Kredit dreifach über die Grundschuld abgesichert gewesen. Ein bombensicheres Geschäft für jede Bank.

Der Faktor Alter spielt bei der Kreditvergabe eine zunehmend stärkere Rolle, monieren Verbraucherschützer. Und das, obwohl ältere Kunden im Schnitt nachweislich weniger Probleme mit der Kreditrückzahlung hätten als junge. Die Rente fließt garantiert. Ruheständlern droht weder Arbeitslosigkeit noch Einkommensausfall bei Krankheit. Sicherheiten sind ebenfalls häufig vorhanden.


Es gibt kein Grundrecht auf Darlehen

Trotzdem muss mit Ablehnung rechnen, wer auf seine alten Tage 20 000 Euro für eine Dachreparatur geliehen haben will. Oder sein Haus altersgerecht umbauen und eine Hypothek aufs Haus aufnehmen will. Einzelfälle, winkt Felix Schnellbacher vom Verband deutscher Pfandbriefbanken ab. Es gibt kein Grundrecht auf Darlehen.

Auch im Bereich der Ratenkredite, wo es um deutlich geringere Summen geht, kriegen Senioren gern die rote Karte gezeigt. So wollte sich ein Beschäftigter, Anfang 60, im sicheren Arbeitsverhältnis, zusammen mit seiner Frau, einer Rentnerin, noch ein Wohnmobil zulegen. Der Kauf sollte über einen Konsumentenkredit finanziert werden. 15 000 Euro wollte das Paar geliehen haben. Zuerst machte die Bank den Geldfluss vom Abschluss einer Restschuldversicherung abhängig. Dann winkte die Kreditabteilung doch ab: Die Versicherung könne nur bis zum 60. Lebensjahr abgeschlossen werden. Sorry, abgelehnt. Keine weitere Begründung.

Ist die Kundschaft über 70, ist nicht einmal mehr ein Haushaltsgerät auf Ratenzahlung drin, zeigen die Fallbeispiele der Verbraucherschützer. Ganz egal, was der Kreditnehmer an Sicherheiten zu bieten hat. Innerhalb von sieben Monaten wollte eine 76-jährige rüstige Rentnerin aus Hamburg die 700 Euro für einen Kühlschrank abstottern. Doch die Bank blieb stur. Geht nicht, ein paar Jahre zu spät dran für einen Kredit, bekam die Besitzerin einer Eigentumswohnung zu hören. Auflagen schon ab 50plusGrundsätzlich ist klar: Banken müssen die Zahlungsfähigkeit ihrer Kundschaft überprüfen. Würden zu viele Kredite nicht zurückgezahlt, müssten die übrigen Kunden Ausfälle über einen höheren Zinssatz mitbezahlen. Häufig werden Rentner jedoch von vornherein abgewimmelt, ohne dass ihre Bonität auch nur ansatzweise geprüft werde, beklagt Werner-Busse. Das ist Diskriminierung. Und widerspricht allen sonstigen Gepflogenheiten bei Kreditanfragen.

Schafft es ein älterer Kunde, einen Kredit unter Auflagen zu kriegen, sollte er das Angebot der Bank genau checken, rät Josephine Holzhäuser, Finanzexpertin der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Oft soll als Voraussetzung eine Restschuldversicherung unterschrieben werden. Die Banken wollen damit ihr Rückzahlungsrisiko absichern. Die Police eine Risikolebensversicherung ist aber teuer erkauft. Die Prämie berechnet sich nach Lebensalter. Je betagter der Kunde, desto happiger die Versicherung. Wie kostspielig die Extra-Absicherung tatsächlich ist, merkt der Kreditnehmer aber meist gar nicht. Die Kosten tauchen im effektiven Jahreszins nicht auf.

Auch im Baukreditbereich gibt es Knebel-Auflagen für Senioren. Ab und an schon für Kunden ab 50plus, weiß Holzhäuser. Manche Banken verlangen eine Mindesttilgung von bis zu 2,5 Prozent, wenn der Kunde bereits 60 Jahre alt ist. Andere begrenzen den Kredit auf 80 Prozent des Immobilienwerts. Die Nächsten wollen, dass die Restschuld spätestens bis zum 70. Lebensjahr auf weniger als 60 Prozent des Objektwerts abgebaut wird.

Bei Kunden ab 50 sind häufig auch Restschuldversicherungen Bedingung, und zwar in Höhe von zehn bis 30 Prozent der Kreditsumme. Ein gutes Geschäft für die Bank, ein teures für den Häuslebauer. Sparen oder Kinder mit einbeziehen, und wie kommt man dann im reiferen Alter noch an einen Kredit? Leider gar nicht, meint Hanne Schweitzer. Wer sich noch etwas leisten will, muss vorher gespart haben. Oder möglichst noch vor dem 60. Geburtstag notwendige Darlehen unter Dach und Fach gebracht haben.

Manchmal lohnt sich hartnäckiges Nachfragen sowie Protest bei der Bank. Aber nur, wenn der Kunde ausreichende Sicherheiten wie Grundbesitz, eine Lebensversicherung oder eine hohe Rente im Kreuz hat. Das Büro für Altersdiskriminierung ermuntert Betroffene, sich zu melden und den jeweiligen Fall zu schildern (www.altersdiskriminierung.de).


Das neue allgemeine Gleichstellungsgesetz, das seit 2006 auch vor Altersdiskriminierung schützen soll, hilft bei verweigerten Krediten jedenfalls nicht weiter. Es ist nur im Arbeits- und Berufsleben nützlich.

Von angeblichen Alternativen bei Finanzengpässen nach dem Motto Express-Kredit für Senioren raten Verbraucherschützer dringend ab. Solche Internetangebote seien unseriös, alles andere als Rettungsanker.


Die einzig sichere Möglichkeit, im Alter bei Banken noch zu Geld zu kommen, ist das Zwischenschalten der Kinder. So kam Rentner Rudolf K. schließlich doch zu einem zinslosen Ratenkredit für eine Waschmaschine, weil die Tochter als Käufer einsprang. Die Eltern zahlen jetzt monatlich Raten an den Nachwuchs, und der leitet das Geld an den Verkäufer weiter.

Im Baukreditbereich verlangen Banken häufig, dass Kreditnehmer ihre Kinder als Bürgen einsetzen zusätzlich zur Absicherung über die Grundschuld. Manchmal sollen potenzielle Erben auch den Darlehensvertrag mitunterschreiben.

Das sei doppelt gemoppelt und für Senioren höchst unwürdig, kritisiert Bagso-Sprecherin Werner-Busse: Auch Ältere haben ein Recht darauf, so behandelt zu werden wie junge Kunden.

Quelle: http://www.focus.de